Grüne Agrarpolitiker fordern sofortige Veränderungen in der europäischen Agrarpolitik

OstendorffNorwich_Rüße_2010Angesichts der schwierigen Lage auch der nordrhein-westfälischen Landwirtschaft fordern die grünen Agrarpolitiker Friedrich Ostendorff und Norwich Rüße gemeinsam mit weiteren Agrarpolitikern von Bündnis 90/Die Grünen umgehende Veränderungen in der europäischen Förderpolitik (siehe unten).

Friedrich Ostendorff:
„Der Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft ist aktuell hochgradig gefährdet. Wir brauchen eine gerechte Verteilung der Landwirtschaftshilfen. Dass 20 Prozent der Betriebe 80 Prozent der Gelder erhalten geht nicht. Darum wollen wir, dass die Betriebsprämie viel stärker als bisher die kleineren und mittleren Betrieben unterstützt, damit wir die bäuerliche Landwirtschaft flächendeckend in Nordrhein-Westfalen erhalten.“

Norwich Rüße:
„Die gesellschaftlichen Anforderungen an die Tierhaltung sind offensichtlich und müssen schnellstmöglich umgesetzt werden. Wir müssen dafür schon jetzt parallel weitere Mittel in die Zweite Säule verlagern, um damit die tiergerechte Haltung von Kühen, Schweinen und Geflügel zu erreichen. Gerade der landwirtschaftliche Standort Nordrhein-Westfalen kann von dieser Förderung massiv profitieren. So erhalten wir unsere Tierhaltung in NRW und machen sie gleichzeitig naturverträglich und zukunftsfähig.“

Die Forderungen der grünen Agrarpolitiker in Kurzfassung:

  1. Volle Umschichtung von Direktzahlungsgeldern aus der 1. Säule in qualitativ anspruchsvolle landwirtschaftsbezogene Förderangebote in der 2. Säule. D.h. die Umschichtung von heute 4,5 % auf die möglichen 15 % im Jahr 2018 anzuheben.
  2. Volle Umschichtung der Mittel auf die jeweils ersten Hektare je Betrieb.  Die Umschichtung würde dadurch von heute 7 % auf die möglichen 30 % angehoben.  Prüfung einer Kappung.
  3. Effektivere Gestaltung und Weiterentwicklung des Greening. Es muss einfacher umsetzbar sein und mehr zum Erhalt von Umwelt, Klima und Artenvielfalt in den Agrarlandschaften beitragen.
  4. Entwicklung von wirksamen marktpolitischen Maßnahmen und Absicherungsinstrumenten bei Marktkrisen.  Zügige Einführung EU-weiter Mengenreduktionen.

 

Hier das vollständige Positionspapier (pdf-Dokument):

Bäuerlich – ökologisch – nachhaltig

Der europäischen Landwirtschaft schon jetzt eine Zukunft geben

 

Vorschläge zur Halbzeitbewertung und zur Neugestaltung der

Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP)

von

Maria Heubuch (MdEP), Brüssel

Friedrich Ostendorff (MdB), Berlin

Norwich Rüße (MdL), Düsseldorf

Bernd Voss (MdL), Kiel

Martin Hahn (MdL), Stuttgart

15. März 2016

Die Lage der Landwirtschaft ist dramatisch. Verheerende Preise und eine drückende Überproduktion bedrohen die Zukunftsaussichten des ganzen Sektors. Im vergangenen Jahr sind die landwirtschaftlichen Einkommen um 36 Prozent gesunken. Die Folge ist ein Strukturwandel von bisher unbekanntem Ausmaß. Allein im letzten Jahr haben 4,2 Prozent der Schweine- und Milchviehhalter aufgeben. In diesem Jahr sind noch höhere Aufgaberaten zu befürchten. Neben den wirtschaftlichen Verlusten sind damit aber auch kulturelle Verluste verbunden, die in ihrer Konsequenz weit über die aktuelle Wirtschaftskrise hinausreichen. Wir stehen vor einem Strukturbruch. Die bäuerliche Landwirtschaft steht vor dem Aus.

Gleichermaßen ist das agroindustrielle Modell weiterhin auf dem Vormarsch. Überproduktion für den Weltmarkt – Konzentration der Tierhaltung in immer größeren Beständen und Ställen aber dafür auf immer weniger Höfen. Grundwasserbelastung und Gülleexporte aus den Massentierhaltungsregionen in Agrarwüsten, die fast ohne Menschen bewirtschaftet werden, das sind die Konsequenzen. Diese Situation ist das Ergebnis der Einflussnahme der Agrarindustrie und der bisherigen verfehlten Agrarpolitik.

Als grüne PolitikerInnen stellen wir uns dagegen an die Seite der Bäuerinnen und Bauern.  Die industrielle Landwirtschaft  holt den maximalen Ertrag aus Boden und Tieren. Bäuerliche Landwirtschaft versucht mit der Natur zu wirtschaften, statt gegen sie. Sie dient auch dem Schutz und der Entwicklung der Umwelt, der Pflege unserer Kulturlandschaften und einer vielfältigen Wertschöpfung im ländlichen Raum. Dabei geht es um die Weitervermittlung  von Wissen über den Standort und die Region  an die nächste Generation.

Dieses wichtige Ziel und diese herausfordernde Aufgabe müssen endlich im Zentrum europäischer Agrarpolitik stehen. Bürger und Bürgerinnen erwarten, diese gesellschaftlichen Ziele zusammen mit den Bäuerinnen und Bauern im Rahmen der GAP umzusetzen. Es muss Schluss sein mit der auf billige Exporte ausgerichteten Überproduktion. Wir brauchen stattdessen Qualität, faire Märkte und Preise, die ökologisch, sozial und ökonomisch die Wahrheit sagen.

Die Europäische Agrarpolitik

Mit der Einigung über die Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) in Brüssel am 26. Juni 2013 wurden wichtige Grundzüge der Agrarpolitik für die Jahre 2014 bis 2020 gelegt und eine lange öffentliche Debatte über die Neuausrichtung der GAP vorerst abgeschlossen.

Dabei wurde den Mitgliedstaaten ermöglicht, die Agrarpolitik grüner, gerechter und nachhaltiger zu machen. Grüner im Sinne einer Honorierung von Umweltleistungen, gerechter im Sinne einer besseren Förderung kleiner und mittlerer Betriebe und einer vielfältigen Landwirtschaft und nachhaltiger bezogen auf die Entwicklung des ländlichen Raumes, die Erhaltung der Artenvielfalt und die Förderung tiergerechter Haltungssysteme.

Allerdings hat die Bundesregierung diese Möglichkeiten nicht genutzt. Das Fehlen einer Kappung wirkt wie eine staatliche Renditeabsicherung und befeuert außerlandwirtschaftliche Investoren, die Tausende Hektar Land zusammenkaufen. Die Bundesregierung hat  das Angebot  für eine gerechtere und stärker an Umweltzielen ausgerichtete GAP nicht angenommen.  Sie bedient so mit den bereitgestellten Geldern die Interessen der Agrar- und Ernährungsindustrie nach billigen Rohstoffen. Die europäische Agrarpolitik muss sich am Prinzip „öffentliche Mittel für öffentliche Leistungen“ orientieren. Das agrarindustrielle Modell erbringt diese Leistungen nicht. Dem Artenschwund in der Natur folgt so der Verlust an Bäuerinnen und Bauern und deren Wissen und Können. Eine europäische Agrarpolitik, die nicht zum Erhalt einer bäuerlichen und nachhaltigen Landwirtschaft beiträgt, ist nicht zukunftsfähig.

Stattdessen geraten immer mehr landwirtschaftliche Betriebe in den Strudel der übervollen Märkte.  Agrarpolitik ist aber auch Marktpolitik. Die dramatische Situation auf den Agrarmärkten hat maßgeblich auch die Bundesregierung zu verantworten. Eine Politik, die Agrarmärkte zerstört und anschließend gegen zerstörte Märkte an subventioniert, ist nicht nachhaltig. Deshalb muss europäische Agrarpolitik auch marktpolitische Maßnahmen und Instrumente umfassen.

Als grüne AgrarpolitikerInnen fordern wir eine konsequente Kehrtwende in der Ausrichtung der Agrarpolitik. Hierzu sind die Möglichkeiten der GAP vollständig auszuschöpfen. Jetzt gilt es eine Korrektur der Fehlentscheidungen aus der Umsetzung der Agrarreform von 2013 einzuleiten.  Es müssen die Spielräume konsequent genutzt werden um bei der Reform 2020 grundsätzlich umzusteuern

Unsere Forderungen

  1. Volle Umschichtung von Direktzahlungsgeldern aus der 1. Säule in qualitativ anspruchsvolle landwirtschaftsbezogene Förderangebote in der 2. Säule. D.h. die Umschichtung von heute 4,5 % auf die möglichen 15 % im Jahr 2018 anzuheben. Dadurch können die Bundesländer Angebote voranbringen, die Umweltmaßnahmen verbessern und wichtige Zukunftsinvestitionen in die bäuerliche Landwirtschaft möglich machen. Die Mittel der 2. Säule sollen zielgerichtet und agrarbezogen eingesetzt werden, so dass öffentliche Leistungen der Bauern und Bäuerinnen für Tier-, Umwelt- und Naturschutz sowie regionale Wirtschaftskreisläufe gestärkt  werden.
  2. Volle Umschichtung der Mittel auf die jeweils ersten Hektare je Betrieb.  Die Umschichtung würde dadurch von heute 7 % auf die möglichen 30 % angehoben.  Andere Mitgliedstaaten, insbesondere Frankreich, sind hier bereits viel weiter. Die ungerechte Verteilung von 80 Prozent der  Direktzahlungen  an nur 20 Prozent der Betriebe muss beendet werden. Daher wollen wir auch erneut die Einführung eine Kappung prüfen.
  3. Effektivere Gestaltung und Weiterentwicklung des Greening. Es muss einfacher umsetzbar sein und mehr zum Erhalt von Umwelt, Klima und Artenvielfalt in den Agrarlandschaften beitragen. Die Anforderungen an ökologische Vorrangflächen müssen im Sinne eines aktiven Naturschutzes verbessert werden, unter anderem durch Anwendungsverbote von Pflanzenschutz- und Düngemitteln auf diesen Flächen.
  4. Entwicklung von wirksamen marktpolitischen Maßnahmen und Absicherungsinstrumenten bei Marktkrisen.  Mengenreduktionen müssen zügig EU-weit  eingeführt werden. Kurzfristig sind die Mittel der Krisenreserve der ersten Säule für ein einzelbetriebliches Milchreduktionsprogramm ein zu setzten. Es bedarf zusätzlich der Weiterentwicklung von Instrumenten der Marktbeobachtung. Bei Märkten wie Schweinefleisch kann eine Marktanpassung und Erholung der Preise über längst fällige Anpassungen der Tierwohlansprüche erfolgen. 10 % mehr Platz für das Schwein bedeuten 10% weniger Erzeugung.

Diese vier zentralen Punkte sind noch im Jahr 2016 auf den Weg zu bringen. Dazu fordern wir die Bundesregierung und die sie tragenden Bundestagsfraktionen auf. Die Weiterentwicklung der GAP für 2020/27 muss sich konsequent an dem Grundsatz „öffentliche Gelder nur für öffentliche Leistungen“ orientieren. Das gilt unabhängig von der Struktur und dem Umfang der zukünftigen GAP. Die zukünftige Agrarförderung muss bäuerlich – ökologisch – und sozial sein, um der europäischen Landwirtschaft eine Zukunft zu geben!

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