Güllefluten eindämmen – Gefahren für die Umwelt minimieren

Gülle_tutto62_pixelio.deEs ist Anfang Februar – die Tage werden wieder länger und ganz langsam nähern wir uns dem Frühling. Während in den letzten Monaten nur ganz selten mal ein Schlepper auf der Straße zu sehen war, beginnen die Landwirtinnen und Landwirte jetzt wieder damit, Gülle auf ihre Felder auszubringen. Ende Januar endete nämlich die dreimonatige Sperrfrist, in der keine Gülle ausgebracht werden durfte.

Die Begründung für diese Sperrfrist ist relativ einfach: es gibt keinerlei Pflanzen, die in der Lage wären, die Nährstoffe aus der Gülle aufzunehmen und zu verwerten. Erst wenn das Wintergetreide wieder zu wachsen beginnt, kann die aufgebrachte Gülle verwertet werden und die Gefahr ist geringer, dass die Nährstoffe in untere Bodenschichten und in das Grundwasser ausgewaschen werden.

Dass Probleme mit der Gülledüngung real existieren, belegt ganz aktuell die Schließung eines Brunnens im Kreis Euskirchen, dessen Wasser vermutlich infolge einer Gülledüngung auf einem angrenzenden Feld mit Bakterien belastet ist. Schon in der Vergangenheit mussten viele Brunnen vor allem in Regionen mit intensiver Viehhaltung aufgegeben werden, weil die Nitratwerte des geförderten Wassers viel zu hoch waren. Und seit den 90er Jahren hat sich hier nur wenig zum Positiven verändert – im Gegenteil: die Nitratwerte stagnieren auf hohem Niveau und immer mehr Kreise sind von zu hohen Werten betroffen.

Angesichts der Millionen Tonnen Gülle, die jährlich aus den landwirtschaftlichen Viehhaltungen kommen, wird klar, dass es sich hier um ein großes umweltpolitisches Problem handelt – ausgelöst insbesondere in Vieh-dichten Regionen. Allein im Kreis Steinfurt werden Jahr für Jahr 4,8 Millionen Tonnen Gülle, Mist und Gärreste auf Äcker und Grünland ausgebracht. Das ist ein Achtel der insgesamt in NRW anfallenden Menge.
Um die gewaltigen Dimensionen nochmals zu verdeutlichen: Im selben Kreis fallen bei immerhin 440.000 Einwohnern lediglich gut 50.000 Tonnen Klärschlamm (vor Trocknung) an, die 136.000 Rinder, 1,25 Millionen Schweine, 1,10 Millionen Hühner und 160.000 Puten erzeugen fast die hundertfache Menge davon. Umgerechnet auf die landwirtschaftliche Nutzfläche erzeugen die Bäuerinnen und Bauern im Kreis Steinfurt soviel Gülle und Mist, dass sie jedes Jahr auf jeden einzelnen Hektar Acker und Grünland rechnerisch zwei Sattelzüge davon ausbringen müssen.

Sattelzüge sind dabei ein gutes Stichwort: Zu diesen riesigen Güllemengen kommen noch Importe von Wirtschaftsdüngern hinzu, insbesondere aus den benachbarten Niederlanden. Denn dort ist die Situation ähnlich wie im nordwestlichen Münsterland: für die riesigen Schweine- und Geflügelbestände gibt es keine entsprechenden landwirtschaftlichen Nutzflächen, auf denen die Gülle sinnvoll als Dünger verwertet werden könnte. Da die Gülle aber entsorgt werden muss, exportieren niederländische Bäuerinnen und Bauern ihre Gülle vor allem in die naheliegenden NRW-Kreise Heinsberg und Euskirchen. Mit Blick auf die EU-Stickstoffminderungsstrategie dürfte der niederländische Staat über die Exporte nach Deutschland sogar höchst erfreut sein: anstatt eine an die eigenen Flächen angepasste Tierhaltung zu betreiben, werden in großem Stil Stickstoffmengen nach Deutschland gebracht, die damit auch den deutschen Stickstoffemissionen zugerechnet werden. Angesichts der starken Viehhaltung in Deutschland bedeutet dies keineswegs eine Problemlösung, sondern nur eine Problemverlagerung auf die deutsche Seite.

Lukrativ ist der Gülleexport für die niederländischen Bäuerinnen und Bauern, weil die Verbringung nach Deutschland viel billiger ist als eine Verwertung der gewaltigen Mengen in den Niederlanden. Und für die rheinischen Ackerbaubetriebe ist die niederländische Gülle interessant, weil sie teuren Mineraldünger ersetzen kann. Die niederländischen Importe haben in der Vergangenheit jedoch dermaßen zugenommen, dass sich die Nitratwerte im Grundwasser in den betroffenen Grenzregionen bedenklich erhöht haben. Solche Werte kannte man bislang vor allem zum Beispiel aus dem Kreis Steinfurt im Münsterland, der Schweinehochburg in NRW.

Zu den hohen Tierbeständen kommen noch Biogasanlagen hinzu, deren Gärreste ebenfalls auf den Feldern entsorgt werden müssen. In ganz NRW sind es mittlerweile fast 600 Anlagen, die neben Strom und Wärme auch jede Menge Nährstoffe produzieren. Diese Nährstoffflut fällt aber nun einmal an. Wir können die Probleme daher nicht ignorieren oder wegdiskutieren, sondern müssen sie managen. Als erste Maßnahme hat NRW deshalb die Kontrollen der Nährstoffströme verbessert, damit man überhaupt sieht, wo die ganze Gülle bleibt. Mit dem sogenannten Herbst-Erlass hat das Land NRW einen wichtigen Schritt getan, um eine sinnvolle Verwertung zu erzwingen. Im Herbst darf sich die letzte Gülleausbringung vor der Sperrfrist nicht mehr danach richten, dass die Behälter leer sein sollen, sondern es dürfen nur noch geringe, pflanzenbaulich sinnvolle Güllegaben auf den Äckern und Weiden ausgebracht werden. Dieser Erlass ist ein wichtiger Schritt, um zukünftig eine Überdüngung der Felder zu verhindern. Auch wird er die Importe aus den Niederlanden eingrenzen, weil selbstverständlich auch für die Gülle aus unserem Nachbarland die neuen Spielregeln gelten.

Klar ist aber auch, dass diese Schritte noch nicht ausreichen. Wir brauchen unbedingt eine weitere Reform des Düngerechts, das an wissenschaftliche Erkenntnisse und an eine veränderte Landwirtschaft angepasst werden muss. Früher waren Bauernhöfe mehr oder weniger geschlossene und bodengebundene Kreisläufe, die lediglich mit geringen Zukäufen die eigene Produktion ergänzten. Heute sind große Schweinemast- oder Geflügelmastbetriebe oftmals zu einer Art „Durchlauferhitzer“ geworden, wo zugekaufte Futtermittel in Fleisch verwandelt werden. Diese Betriebe sind offene Systeme, die große Mengen an Futter aufnehmen und auf der anderen Seite Fleisch, aber zunehmend eben auch die anfallende Gülle abgeben. Während der klassische Bauernhof ein selbstregulierendes System und damit überhaupt nicht in der Lage war, einen Überschuss an Gülle zu produzieren, sieht dies im offenen, bodenunabhängigen System des Agribusiness komplett anders aus.

Das muss aber dazu führen, dass wir solche Betriebe mit Blick auf ihre Stoffkreisläufe ganz anders kontrollieren müssen als klassische Bauernhöfe. Dem Verlust des früheren Selbstregulativs muss von der Politik deshalb mit einer verstärkten Kontrolle begegnet werden. So und nicht anders können die Abermillionen Tonnen von Gülle mit Blick auf eine umweltgerechte Entsorgung und sinnvolle Verwertung als Dünger richtig gelenkt werden. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass das bisherige Düngerecht hier keine ausreichende Steuerung und Kontrolle vorsieht. NRWunterstützt seit langem die Reform der DüngeVO – für den Zustand unserer Gewässer kann es nur gut sein, wenn der Bund hier endlich Nägel mit Köpfen macht. Denn nicht zuletzt sind ja die Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie eigentlich bis 2015 zu erreichen. Dabei sollte auch hier das Verursacherprinzip gelten: Es war nämlich nicht die bäuerliche Landwirtschaft, sondern das offene System der agrarindustriellen Tierhaltung, das uns die massiven Probleme beschert hat. Deshalb sollte auch genau hier zukünftig der Schwerpunkt der Kontrollen der Nährstoffströme liegen!

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