Artenschutz – Eine Wende ist dringend nötig!

308107_web_R_by_Ingrid Kranz_pixelio.deWer kennt sie nicht, die Bilder vom Eisbären auf einer Scholle im arktischen Meer? Dieses Bild symbolisiert wie kein zweites die Bedrohung der Artenvielfalt durch den vom Menschen verursachten Klimawandel. Dasselbe gilt für Bilder vom Sumatra-Tiger oder Orang-Utan, deren Lebensräume durch Palmölplantagen bedroht sind. Obwohl diese Bilder eindrucksvoll sind, so sind sie auch problematisch: Sie suggerieren uns, dass das Problem der Artenvielfalt im indonesischen Regenwald oder sonstwo auf der Welt vorhanden sein mag, aber doch nicht bei uns!

Aber genau das ist falsch, der Verlust an Arten schreitet auch in Deutschland und auch in unserem Nordrhein-Westfalen weiter voran. Und dabei sind die Zahlen der letzten Jahre besonders dramatisch – wir erleben in der Vogelwelt gerade den Zusammenbruch ganzer Populationen. Der Kiebitz – früher eine Allerweltsart in den Weide- und Wiesenlandschaften der nördlichen Tiefebene – ist mittlerweile zu einer Rarität geworden. Untersuchungen haben gezeigt, dass dieser Vogel im Münsterland in den siebziger Jahren noch nahezu flächendeckend vorkam, heute dagegen ist er auf zwei Dritteln unserer Äcker und Weiden nicht mehr zu finden. Die Zahl der Brutpaar ist dabei dramatisch rückläufig: Noch 2003 wurden im Kreis Warendorf  1.632 Brutpaare gezählt, 2012 waren es noch 445. Die Hauptursache für diesen Rückgang ist eine immer intensivere Landwirtschaft. Der stetige Rückgang des Grünlandes und die zunehmende Aufgabe einer Fruchtfolge führt zu einer monotonen Agrarlandschaft, die dem Kiebitz keine Heimat mehr sein kann. Die veränderte Bewirtschaftung der Äcker, vor allem durch die Maisaussaat, führt dazu, dass mittlerweile drei Viertel der Erstgelege des Kiebitz durch landwirtschaftliche Bodenbearbeitung vernichtet wird. Die Folgen sind eindeutig: Wenn wir so weitermachen, wird das letzte Kiebitzküken im Kreis Warendorf Anfang der 2030er Jahre schlüpfen und dann war es das.

Was hier exemplarisch für den Kreis Warendorf gezeigt wurde, gilt so oder ähnlich auch für andere Regionen und Arten. Ob Feldlerche, Rebhuhn oder Kiebitz, der Trend bei den Vögeln der Agrarlandschaft ist eindeutig. Dabei lässt sich ein Zusammenhang mit der „modernen“ Landwirtschaft überhaupt nicht leugnen: Die größten Populationsrückgänge gibt es genau dort, wo die Landwirtschaft besonders intensiv und einseitig wirtschaftet. Neben der direkten Zerstörung führt die intensive Landwirtschaft vermutlich auch dazu, dass den Tieren nicht mehr genügend Nahrung zur Verfügung steht. Der intensive Spritzmitteleinsatz reduziert den Insektenbestand, der wiederum aber die Ernährungsgrundlage vieler Vögel darstellt.

Dass die Situation so dramatisch ist, hat die Gesellschaft und hatte auch der EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos längst erkannt. Deshalb sollte im Rahmen der Agrarreform 2013 dafür gesorgt werden, dass in der Kulturlandschaft zumindest teilweise eine Extensivierung stattfindet. Mit dem sogenannten Greening sollten bis zu zehn Prozent der Nutzfläche nicht mehr intensiv gedüngt, gespritzt und bewirtschaftet werden, um auch die Natur zu ihrem Recht kommen zu lassen. Ein Ansatz, den Jäger, Imker und Naturschützer in seltener Eintracht unterstützten. Geblieben ist davon quasi nichts. Schon auf europäischer Ebene verwässert, sorgt jetzt die Bundesregierung dafür, dass auch noch die letzten Reste dieses Vorhabens geschliffen werden und selbst der Einsatz von Spritzmitteln und Mineraldüngern auf diesen „ökologischen Vorrangflächen“ erlaubt sein wird.
Der Artenschutz und die Artenvielfalt bleiben aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deshalb gilt es nun die vorhandenen eigenen Spielräume zu nutzen. Das gilt privat genauso wie für eine Landesregierung. Das Land kann über die 2. Säule der Agrarpolitik die Extensivierung der Landwirtschaft finanziell unterstützen und wird dies auch in Zukunft tun. Darüber hinaus setzt das Landschaftsgesetz den Rahmen für den Umgang mit unserer Natur. Im Rahmen der anstehenden Novellierung besteht hier natürlich die Chance, auf die vorhandenen Probleme einzugehen.

Und privat? Nun, mittlerweile sind über die Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Flächen nicht mehr im Eigentum der Bauern. Wer Flächen besitzt – so wie die Kirchen, Kommunen, aber eben auch viele Privatleute – kann in den Pachtvertrag bestimmte Bedingungen hineinschreiben lassen. Die Pachtpreise im Münsterland sind in den letzten Jahren bei Neuverpachtungen auf über 1.000 Euro gestiegen. Warum nicht beim alten Pachtpreis von 500 oder 600 Euro bleiben und dafür aber eine Fruchtfolge und Ackerrandstreifen in den Pachtvertrag verbindlich hineinschreiben? Angesichts der dramatischen Entwicklung der Artenvielfalt auch in Nordrhein-Westfalen sind solche neue Wege und Ideen gefragt. Denn der Artenschutz betrifft nicht nur den Eisbären in der Arktis oder den Sumatra-Tiger in Indonesien, sondern Artenschutz beginnt auf dem Acker vor der eigenen Haustür!

[Ursprünglich ein Blogbeitrag für: gruene-fraktion-nrw.de]

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