Von Kuhfladen, Spaltenböden und Sachkundenachweisen….

Acker_Erich Westendarp_pixelio.deAn dieser Stelle eine Diskussion über Veränderungen in der Landwirtschaft aus Gründen des Naturschutzes und des Trinkwasserschutzes. Ganz unten der ursprüngliche Artikel, dann ein Leserbrief dazu und dann meine – in der Zeitung leider gekürzte-  Antwort darauf. Mit Sicherheit werden wir intensiv darauf drängen, dass sich endlich in den Veredlungsregionen die Nitratwerte deutlich verbessern. Das kann – dies habe ich auch in dem Interview deutlich gesagt – über freiwillige Maßnahmen erfolgen, muss aber anscheinend auch von der Gesetzgebung flankiert werden. Auf alle Fälle können wir es uns nicht erlauben, nochmals zwei Jahrzehnte Stillstand in dieser für unser Wasser und die Natur so wichtigen Frage zu produzieren.

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Meine ungekürzte Antwort auf den Leserbrief von Herrn Plenter:

Der Leserbrief des Herrn Plenter verdeutlich nachhaltig, dass es noch vieler Gespräche und Einsichten bedarf, bis die konventionelle Landwirtschaft zurückfindet zu einer ökologisch verträglichen Wirtschaftsweise. Dies möchte ich im folgenden begründen:

Am Beispiel des Kuhfladens möchte Landwirt Plenter den Nachweis erbringen, dass im Gegensatz zur Weidehaltung die strohlose Stallhaltung die eigentlich ökologische Wirtschaftsweise ist, da hier nur Gülle entsteht, die bei Bedarf ausgebracht werden kann. Ökologische Zusammenhänge sind aber etwas komplexer als hier dargestellt. Allein aus Sicht des Artenschutzes ist die Beweidung von so hoher Bedeutung, dass sie dringend gebraucht wird. Auch funktioniert der Abbau eines Kuhfladens auf Grünland vollkommen anders als die Umsetzung von Gülle auf Ackerböden, so dass das geschilderte Problem zwar theoretisch konstruiert werden kann, in der Realität aber gar nicht existiert.

Der Nährstoffbericht NRW und der Nitratbericht des Landesumweltamtes weisen nach, dass im Münsterland so viel Gülle anfällt, dass diese dort nicht umweltverträglich wieder in den Nährstoffkreislauf eingebracht werden kann. Viele landwirtschaftliche Betriebe halten hier mehr Schweine, Geflügel oder Rinder, als betriebseigene Flächen zur Ausbringung der erzeugten Gülle zur Verfügung stehen. Daher gibt es eine eindeutige Verbindung zwischen den Nitratbelastungen der Böden und des Grundwassers und einer zu intensiven Landwirtschaft durch eine immer stärkere Konzentration der Tierhaltung. Der Überbesatz an Vieh ist die Hauptursache für die Überdüngung unserer Flächen und der Nitratbelastung unseres Grundwassers. Insofern löst die von Herrn Plenter gepriesene strohlose Haltung keine Probleme, sie ist Teil des Problems.

Allein im Kreis Steinfurt fallen mittlerweile Jahr für Jahr 4,8 Mio. Tonnen Gülle an. Dazu kommen noch die Stickstoffemissionen aus den Stalllüftungen, die in unserem Kreis einen zusätzlichen Düngeeintrag von über 50 kg N/ha bedeuten, der bislang überhaupt nicht bilanziert wird. Entgegen der Aussage von Herrn Plenter wirkt auch die 170 kg N/ha-Grenze bislang nur unzureichend, weil die Gärreste aus Biogasanlagen bisher nicht berücksichtigt werden. In der Summe führt dies alles seit Jahren zu einer deutlichen Überbelastung unserer Äcker mit Stickstoff. Die wissenschaftlichen Messreihen des Landesumweltamtes zwischen 1992 und 2011 sind hier eindeutig und zeigen leider eine Stagnation auf hohem Niveau.

Tatsache ist, dass die Landwirtschaft in viehreichen Regionen wie dem Kreis Steinfurt seit Jahrzehnten zu ernsthaften ökologischen Folgen geführt hat. Dabei geht es mir überhaupt nicht darum, dem einzelnen Bauern die Schuld an dieser Entwicklung zu geben. Denn die sind selbst eher das Opfer einer vollkommen verfehlten Agrarpolitik. Trotzdem brauchen wir angesichts der Probleme neue, klare Regelungen, die aber kleine und mittlere bäuerliche Betriebe nicht über Gebühr belasten dürfen. Die Probleme wegzuschwurbeln oder gar zu leugnen hilft allerdings niemandem, denn wir müssen die seit langem vorhandenen ökologischen Probleme der intensiven Landwirtschaft endlich in den Griff bekommen.

Norwich Rüße, MdL

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Zu: „Mehr Naturschutz, strengere Auflagen“ vom 8. Januar:

Mit Entsetzen las ich den Artikel über die Halbzeitbilanz des Herrn Rüße, der mal wieder versuchte, die konventionelle Landwirtschaft als Umweltsünder darzustellen. Dazu ein paar Fakten: Zunächst zum Zitat „Wir reden seit 25 Jahren über die Nitratbelastung und die Landwirtschaft verspricht immer, dass es besser wird. Es wird aber nicht besser“. Aus Bodenanalysen, die in der freiwilligen Kooperation zwischen Land- und Wasserwirtschaft gemacht wurden, ist festzustellen, dass der Reststickstoffgehalt nach der Ernte in den letzten 18 Jahren in etwa halbiert wurde. Das ist eine Besserung, die sich sehen lassen kann.

Und wo ich gerade bei den Fakten bin, möchte ich den Verbrauchern und Lesern auch diese nicht vorenthalten: Biobauer Rüße und seine Partei fordern eine Agrarwende hin zur Ökolandwirtschaft, in der unter anderem die Weidehaltung der Nutztiere propagiert wird.

Hierzu sollte man beachten, dass an der Stelle, wo eine Kuh (auch die eines Biobauern) einen Kuhfladen hinterlässt, umgerechnet ca. 1000 kg (!!) Stickstoff/ha „gedüngt“ werden. Um diese Zahl einschätzen zu können, muss man wissen, dass ein ha Weide dem Boden je nach Nutzungsintensität pro Jahr ca. 200-250g Stickstoff entzieht. Und wenn man diese Kuhfladen nicht vor jedem Regen auf die ganze Fläche verteilt, gelangt der Rest von 750-800kg Stickstoff ins Grundwasser. Diese Situation verschärft sich bei der Weidehaltung von Schweinen um ein Vielfaches, da Schweine immer an einer Stelle koten und urinieren.

Vor diesem Hintergrund muss man wohl die strohlose Stallhaltung als ökologisch höchst wertvoll einstufen, denn hier werden Kot und Urin aufgefangen, homogenisiert, analysiert und bedarfsgerecht auf Acker und Grünland ausgebracht. Ferner werden die Nährstoffströme jährlich von den Landwirten (staatlich kontrolliert) bilanziert. Dabei darf die Stickstoffgrenze von 170 kg Stickstoff/ha Ackerland und Jahr nicht überschritten werden.

Zum Thema Pflanzenschutz möchte ich anmerken, dass jeder Landwirt, der Pflanzenschutzmittel anwendet, einen aktuellen Sachkundenachweis vorweisen muss. Aufgrund der oben beschriebenen Fakten fände ich es sehr sinnvoll, dass jeder Fachpolitiker vor Amtsantritt auch einen aktuellen Sachkundenachweis vorweisen sollte. Das würde die Zahl ideologisch geprägter Gesetze und Verordnungen minimieren. Positiver Nebeneffekt wäre sicher, dass man damit auch die Politikverdrossenheit reduzieren würde.

Martin Plenter, Konventionell wirtschaftender Landwirt, Rheine

Quelle: WN, 16.01.2015

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 Mehr Naturschutz – strengere Auflagen
Verschärfungen im Naturschutz und strengere gesetzliche Regelungen für die Landwirtschaft kündigte gestern der grüne Landtagsabgeordnete Norwich Rüße aus Steinfurt an. Rüße, der auch Mitglied im grünen Kreis-Vorstand ist, erklärte zugleich, dass die Grünen einen eigenen Landratskandidaten für den Kreis Steinfurt aufstellen werden. Damit beendete er Spekulationen, die Grünen könnten sich aufeinen gemeinsamen Kandidaten mit der SPD einigen oder auf einen eigenen Kandidaten verzichten.

„Für uns als grüne Partei ist es wichtig, auch für dieses Amt Alternativen aufzuzeigen“, meinte Rüße, ohne allerdings schon Namen zu nennen. Spätestens „im Frühjahr“ würden die Grünen einen Kandidaten präsentieren.

Rüße äußerte sich im Rahmen eines Pressegesprächs, bei dem er eine positive Halbzeit-Bilanz rot-grüner Landespolitik zog und einen Ausblick auf den Rest der Legislaturperiode wagte. Im Rahmen der Weiterentwicklung des Landesnaturschutzgesetzes sei unter anderem auch ein generelles Grünland-Umbruchverbot geplant. Allerdings werde es einen Vertrauensschutz geben für Flächen, die aus dem Vertragsnaturschutz herausfallen – diese dürften, wie vorher vereinbart, weiterhin umbrochen werden. Das Umbruch-Verbot werde „ein heißes Thema“, meinte Rüße, sehe es doch vor, dass existierende Grünlandflächen generell nicht mehr umbrochen werden dürften. Die Aufstellung von Landschaftsplänen werde für die Kreise wieder verpflichtend. Außerdem müsse der Begriff der „guten fachlichen Praxis“ in der Landwirtschaft dringend hinterfragt werden. Seiner Meinung gehöre dazu der Kampf gegen Mono-Kulturen: „Keine Frucht darf nach sich selbst angebaut werden“, sagte Rüße. Das betreffe vor allem den Mais. Übergeordnetes Ziel im Naturschutz sei der Erhalt von Artenvielfalt, die so stark bedroht sei wie noch nie.

Mit einer Verschärfung der Düngemittelverordnung wollen die Grünen die Nitratbelastung des Grundwassers mindern. „Wir reden seit 25 Jahren über die Nitratbelastung und die Landwirtschaft verspricht immer, dass es besser wird. Es wird aber nicht besser“, meinte Rüße. Er kündigte an, dass es neben einer bundesweit einheitlichen Düngemittelverordnung „Öffnungsklauseln“ für die Länder geben werde, die neuen Gestaltungsspielraum eröffneten. Die Landwirtschaft müsse die Kosten für von ihr verunreinigtes Wasser tragen; kleine und mittlere Betriebe sollten aber nicht zusätzlich belastet werden. Die Landesregierung werde erheblich mehr Geld für den Vertragsnaturschutz zur Verfügung stellen, kündigte er an. Um das zunehmende Artensterben zu stoppen, seien aber auch ordnungsrechtliche Maßnahmen denkbar.

Rüße ging auch auf das umstrittene neue Jagdgesetz ein, das zum 1. Juli in Krafttreten soll. Er selbst sei ein Befürworter der Jagd und könne die Kritik am Gesetzentwurf nicht verstehen. Es gehe nur um geringfügige Veränderungen, die letztlich dazu beitrügen, die gesellschaftliche Akzeptanz der Jagd zu erhalten. Rüße verteidigte das Abschussverbot für Katzen. Es könne nicht sein, dass alleine im Kreis Steinfurt jährlich doppelt so viele Katzen von Jägern erschossen würden wie im gesamten Regierungsbezirk Köln. Erhalten bliebe dagegen die Möglichkeit, wildernde Hunde zu erschießen, als „letztes Druckmittel“ gegen das Nichtbeachten des Leinenzwangs.

In der Rückschau verbuchte Rüße vor allem den mit der CDU erreichten Schulkonsens auf der Habenseite der Koalition. Bis 2017 werde das Land 3000 neue Lehrer einstellen versprach er. Bei der Hochschul-Finanzierung und bei der Verkehrsinfrastruktur mahnte er eine gerechtere Mittelverteilung an – hier werde NRW gegenüber andren Bundesländern benachteiligt. Rüße begrüßte den Ausbau des LEADER-Programms, das sich als ganz großer Erfolg erwiesen habe. Er sei zuversichtlich, das der Kreis Steinfurt wieder berücksichtigt werde, denn der Kreis habe hier Vorbildliches geleistet. LEADER brauche zudem eine gewisse Kontinuität.kündigt

Quelle: Achim Giersberg, WN, 08.01.2015

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