Wenn Vorurteile die Urteilsfähigkeit beeinträchtigen…..

Porträt_Norwich_2012Die Frage, was gute Zeitungsartikel oder Blogbeiträge kennzeichnet, ist eigentlich klar: Sie thematisieren etwas, was das Interesse der Leser weckt und informieren möglichst umfassend und ausgewogen. Leider haben sich die Zeiten geändert und viele schreiben, bevor sie ordentlich recherchiert haben – ja, manchmal wird – so scheint es zumindest – das Denken während des Schreibprozesses mehr oder weniger nahezu komplett eingestellt. Und das vermutlich deshalb, weil es den AutorInnen nicht wirklich darum geht, zum Nachdenken anzuregen, sondern man sich seine eigenen Vorurteile bestätigen und diese als Wahrheiten in die Welt hinausposaunen möchte.
Genau so ein Blogbeitrag ist mir jetzt über den Weg gelaufen. Er beschäftigt sich interessanterweise mit mir selbst und deshalb halte ich es auch für notwendig, ein paar Worte dazu zu schreiben. Im Kern geht es der Autorin in ihrem Blog darum, am Beispiel der grünen Abgeordneten Martin Häusling, Friedrich Ostendorff und mir zu belegen, wie schlecht der Biolandbau eigentlich ist. Nun finde ich es grundsätzlich schon einigermaßen dämlich – tut mir leid, nur dieses Wort ist hier wirklich passend – Betriebe von Abgeordneten als Basis für die Bewertung heranzuziehen, welche Form der Landwirtschaft betriebswirtschaftlich oder gar volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Dazu nimmt man normalerweise die Unterlagen der Testbetriebe und vergleicht dann die Buchführungsergebnisse konventioneller und ökologisch wirtschaftender Betriebe. Das Urteil fällt derzeit sehr zugunsten des Ökolandbaus aus, aber das war in der Vergangenheit auch durchaus schon anders. Aber der Autorin geht es ja nicht darum, ein statistisch abgesichertes Bild in ihrem Blogbeitrag (https://schillipaeppa.net/2016/10/12/grune-geldverbrennung/) zu zeichnen, sondern einfach darum, den Ökolandbau schlechtzureden.

Für meinen eigenen Betrieb kann ich sagen, dass er selbstverständlich derzeit keine hohen Gewinne abwirft, weil ich ihn schon lange im Nebenerwerb und seit 2010 auch eher extensiv bewirtschafte. Ich habe nach meinem Einzug in den Landtag von Nordrhein-Westfalen die Milchviehhaltung aufgegeben und halte seitdem noch ein paar Mutterkühe und – vom kleinen Ferkel bis zum ausgewachsenen Schwein – etwa 200 Schweine. Es gibt auf meinem Hof auch keine Direktvermarktung von Produkten oder gar einen Hofladen. Beides gute Möglichkeiten für Biobetriebe zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Aber meine Wählerinnen und Wähler erwarten von mir nicht, dass ich einen Hofladen betreibe, sondern dass ich im Landtag von Nordrhein-Westfalen gute grüne Politik mache! Und von einem Abgeordneten mit einer entsprechenden Vielzahl an Terminen und Verpflichtungen kann wohl kaum erwartet werden, Milchkühe zu halten oder Direktvermarktung zu betreiben. Im übrigen nehme ich mir sogar raus, Dinge zu tun, die den Gewinn nicht unbedingt positiv beeinflussen. So verkaufe ich meine Schlachtschweine an regionale Direktvermarkter deutlich günstiger als ich ansonsten für die Tiere bekomme und auch bei meinen Mastferkeln orientiere ich mich nicht am möglichen Preis. Warum ich das tue? Weil ich es gut finde, wenn regionale Partnerbetriebe ihre Höfe entwickeln können – ganz einfach.

Insgesamt gesehen ist der ganze Blogbeitrag der Autorin eine einzige Ansammlung von Kuriositäten, Verzerrungen und Halbwahrheiten. So ist der Screenshot von den EU-Zahlungen, die ich als Nebenerwerbsbauer erhalte, nicht wirklich korrekt. Es hätte Sinn gemacht, nicht nur die Zahlungen aus dem Jahr 2015 einzustellen, sondern auch die aus dem Jahr 2014. Denn während für das Jahr 2015 die Gesamtsumme von 24.037,12 € dargestellt wird, so waren es im Jahr 2014 lediglich 9.477,88 €. Die Erklärung dafür ist einfach – die Zahlung der Ökoprämie erfolgte für das Jahr 2014 so verspätet, dass sie dem Jahr 2015 zugeordnet wurde. Tatsache ist also, dass ich jährlich etwa 9.500 € EU-Agrarprämie und etwa 7.000 € Prämie (Ökolandbau, Vielfältige Fruchtfolge, Tierschutzmaßnahmen) aus der 2. Säule bekomme. Das ist im Vergleich zu vielen anderen Betrieben nicht unbedingt viel, ein Betrieb mit 100 ha erhält allein aus der ersten Säule knapp 30.000 €, ohne dass dafür viel mehr geleistet wird als die Einhaltung gesetzlicher Standards. Als Ökobetrieb verzichte ich dagegen komplett auf den Einsatz von Pestiziden und Kunstdüngern, was zwar die Erträge schmälert, aber gut für die Natur und die Umwelt ist. Und natürlich ist es auch ein erheblicher Unterschied, ob Öko-Betriebe nur 1,5 Großvieheinheiten pro Hektar halten, oder ob es 2 GV/ha sind und darüber hinaus noch erhebliche Mengen an Mineraldünger – oder auch Gärreste aus Biogasanlagen – auf die Felder ausgebracht werden. Die Überdüngung ist – anders als es die Autorin suggeriert – ein Problem der intensiven Landwirtschaft, denn gerade Stickstoff ist im Ökobetrieb alles andere als im Überschuss vorhanden.

Und wenn wir schon über Subventionen sprechen, dann sollten wir dies insgesamt tun. So wird der Ökolandbau im Rahmen der Förderung der Wissenschaft deutlich unterproportional gefördert. Und alleine über die Tierkörperbeseitigung erhielten viele große Mastbetriebe in Nordrhein-Westfalen bislang mehrere Tausend Euro Subventionen vom Staat, nur damit deren Tierkadaver ordnungsgemäß entsorgt wurden. Diese unsinnige Subventionierung der Intensivtierhaltung haben wir in Nordrhein-Westfalen deutlich eingeschränkt, die Kosten pro Betrieb gedeckelt und die Kreise dadurch finanziell um mehrere Millionen entlastet.

Besonders amüsant finde ich aber die Kritik an meinen Maisballen. Auch hier wirft sie alles durcheinander. Warum sollte ich über die Finanzierung des Bau einer Siloplatte nachdenken, wenn ich seit langer Zeit eine Siloplatte habe? Mein Problem war und ist überhaupt nicht der Eintrag von Silagesäften in den Boden, sondern alleine die Haltbarkeit und die Qualität der Silage. Das habe ich auch genauso geschrieben. Und die Frage nach der Ökobilanz darf man selbstverständlich stellen. Nur lässt sie sich eben nicht so einfach und einseitig beantworten, wie die Autorin es gerne hätte. Rundballen ermöglichen eine deutlich bessere Silagequalität, die Verluste tendieren bei diesem Ernteverfahren – anders als beim Flachsilo – gegen null. Und die Problematik der Folie ist in erster Linie eine Frage nach den Recyclingmöglichkeiten. Das gilt aber für sämtliche Folie, egal ob vom Flachsilo oder von Rundballen.

Völlig schräg ist auch der Ansatz, Biodiversitätsverluste nach gernteter Menge zu beurteilen. Das kann kein geeigneter Maßstab sein, wenn man das überhaupt machen wollte, müsste man mindestens das unterschiedliche Konsumverhalten (Abfallanteil, Fleischkonsum usw.) in die Berechnung integrieren. Aber entscheidend ist ohnehin, was konkret auf der landwirtschaftlich genutzten Fläche passiert. Und da zeigen diverse Untersuchungen, dass der Ökolandbau hier klare Vorteile besitzt, weil er nicht mit Pestiziden arbeitet und der Ackerbau insgesamt vielfältiger ist. Und es ist ganz offensichtlich, dass die Probleme der Biodiversität erst aufgetreten sind, seitdem die Landwirtschaft sich von einer vielfältigen, bäuerlichen Landwirtschaft zu einer einseitigen, intensiven Landwirtschaft verändert hat. Bis in die 50er Jahre war die Landwirtschaft die Garantin für eine große Artenvielfalt, erst danach – im Zuge der Chemisierung und Technisierung – hat sich dies zum Negativen hin verändert. Diese Zusammenhänge sind so offensichtlich, dass auch der Lösungsweg – eine Extensivierung u.a durch die Reduktion des PSM- und Stickstoffeinsatzes – auf der Hand liegt. Klar ist, dass auch der Ökolandbau stetig optimiert und verbessert werden muss – den weiteren Weg hin zu einer natur- und umweltverträglichen Landbau wird aber die konventionelle Landwirtschaft zurücklegen müssen.

Es wäre gut, wenn wir über solche und andere Fragen ernsthaft miteinander diskutieren würden. Mit Blogbeiträgen wie denjenigen, den ich hier „rezensiert“ habe, mag man an ganz bestimmten Stammtischen vielleicht für den kurzen Moment überzeugen – tragfähige Lösungen für die Landwirtschaft der Zukunft findet man so natürlich nicht. Genau das ist uns Grünen im Interesse von Natur und Umwelt aber wichtig und davon lassen wir uns mit Sicherheit auch nicht durch solche Blogbeiträge abbringen!

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