Nur das Krönchen richten….?

Norwich_Rüße_2010Die Arbeit im Landtag geht für uns Grüne und auch für mich persönlich weiter. Das ist aber momentan das einzig positive, was ich dem Wahltag abgewinnen kann.
Wir haben eine herbe Niederlage eingefahren, die uns sicherlich noch lange beschäftigen wird. Mir tut es leid um unsere vielen guten MitarbeiterInnen und KollegInnen, die nicht mehr weiter im Landtag sein werden.
Bedanken möchte ich mich bei all den Grünen Mitgliedern, die in den letzten Wochen trotz der schlechten Umfragewerte wirklich ihr Bestes gegeben und so dafür gesorgt haben, dass wir weiter im Landtag vertreten sind. Bei der Ursachenforschung ist anscheinend die Bildungspolitik zum entscheidenden Auslöser geworden, die Grünen nicht zu wählen. Viele grüne Stammwähler haben auch mir – und diese Erfahrung teile ich mit vielen, die an Wahlständen standen – gesagt, das sie diesmal auf keinen Fall die Grünen wählen könnten.
Aus meiner Sicht zeigt das dreierlei:
Zuallererst haben wir es nicht geschafft, die Prozesse G8/G9 und vor allem die Inklusion so anzulegen, dass die Menschen in NRW das Gefühl bekommen haben, dass unser eingeschlagener Weg tatsächlich gangbar ist. Wer aber ein gesellschaftlich so umstrittenes Projekt wie die Inklusion startet, muss von vorneherein einen nachvollziehbaren Plan in der Tasche haben und kann nicht – wie vielleicht bei weniger umstrittenen Projekten – im Try-and-error-Modus verfahren.
Zugleich haben wir es diesmal nicht geschafft, mit anderen Themen die für uns schwierige schulpolitische Debatte zu überlagern. Weder die Energiewende noch die Agrarwende oder gar der Tierschutz haben als politische Themen eine Strahlkraft enwickelt, die das auch nur annähernd ausgleichen konnte. D.h. im Umkehrschluss auch: wir haben keine wirklich starke Kernwählerschaft, die aus einem grünen Wertegefühl heraus immer grün wählt, sondern wir sind eine Agglomeration vieler unterschiedlicher Interessen, die zu wenig miteinander verknüpft sind. Ist der Zeitgeist grün, wird diese Problematik überlagert, weht uns der Wind in’s Gesicht, tritt er allerdings in aller Deutlichkeit zutage.
Und damit wäre ich beim zweiten Punkt angelangt: Meine wichtigste – und zugleich banale – Erkenntnis aus dem Wahlkampf ist, dass die allermeisten Menschen zuallererst an sich denken – an ihren ganz persönlichen Benefit bei all den Wahlversprechen und möglichen Veränderungen. Genau aus dem Grund hat als einziges grünes Projekt im Wahlkampf das 2-Euro-Ticket auch so gut funktioniert – der unmittelbare persönliche Vorteil war für jede und jeden sichtbar. Aber unsere Politik appelliert sehr oft an den Gemeinsinn und eben nicht an den Egoisten in uns allen. Das heißt, wir werden zukünftig viel stärker herausarbeiten müssen, warum die grüne Politik für die Gesellschaft, aber auch für jeden einzelnen ganz persönlich gut ist. Und das eben nicht erst in einer fernen Zukunft, sondern ganz konkret und unmittelbar.
Der dritte und entscheidende Punkt ist aber das veränderte gesellschaftliche Klima. Derzeit finden Wahlen in Deutschland in einem Klima der Verunsicherung, der Angst und der Anspannung statt. Während die beiden ersten Punkte viel mit internationalen Ereignissen zu tun haben – mit den Krisen um uns herum – ist die bei den Menschen spürbare Anspannung ein Produkt einer langfristigen Entwicklung. Die Anforderungen der Arbeitswelt dominieren die Menschen, die persönlichen Handlungsspielräume, die Phasen von Entspannung und Erholung, sind immer kleiner geworden. In Familien hat heute nicht nur einer kaum Zeit für seine Kinder – nein, mittlerweile sind es beide Elternteile, die mit einem schlechten Gewissen zwischen Kita, Beruf, Schule, Küche und Bett hin- und herhetzen.
Menschen, die aber selber unter erheblichem Druck stehen, sind vermutlich weniger bereit, eine solidarische Politik mitzutragen und erwarten gleichzeitig von der Politik perfekte Lösungen. Denn wer selber ständig perfekte Höchstleistungen erbringen muss, erwartet dies auch von der Politik.
Das heißt: die Handlungsspielräume für die Politik sind kleiner geworden und insbesondere Fehler werden nicht mehr so leicht verziehen!
Und gleichzeitig verlangt das Klima von Verunsicherung, Angst und Anspannung nach Orientierungsmöglichkeiten. Mit dem Richten irgendwelcher Krönchen ist es daher bei weitem nicht getan. Die Wählerinnen und Wähler wollen sich an Menschen orientieren – an Menschen, die sagen, was sie politisch tun wollen und die um Vertrauen werben. Vermutlich ist genau das der alles entscheidende Punkt, um den es zukünftig gehen wird: Wir müssen als Grüne nicht für alle politischen Sachgebiete den detaillierten Masterplan in der Tasche haben, sondern den Menschen zuhören, ihre Probleme verstehen und im Dialog nachvollziehbar machen, warum man uns vertrauen kann. Vertrauen aber bringt man nich Symbolen oder Wahlprogrammen entgegen, sondern Menschen. Genau dafür aber müssen auch wir Grüne Personen nach vorne stellen. Das ist eine Herausforderung, die uns Grünen bekanntermaßen noch immer nicht ganz so leicht fällt – aber zugleich eine Chance und ein unumgänglicher Schritt, wenn wir politisch erfolgreich sein wollen.

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