Massenhafter Abschuss stoppt Schweinepest nicht!

Die Afrikanische Schweinepest nähert sich Deutschland. Mittlerweile tritt sie in Polen nur noch rund 300 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt auf. Das ängstigt die Schweinehalter zu Recht. Doch der von der Landesregierung und dem Deutschen Bauernverband propagierte massenhafte Abschuss von Wildschweinen wird das Problem nicht lösen.

Die Afrikanische Schweinepest – kurz ASP – ist für Menschen unbedenklich, tötet Schweine jedoch innerhalb kürzester Zeit. Sollte der Erreger hierzulande auftauchen und heimische Schweinezuchtbestände befallen, drohen den Landwirt*innen Schäden in Milliardenhöhen. Der Erreger ist hochgradig ansteckend und einen Impfstoff gibt es bisher nicht. Die Sorge der Bäuerinnen und Bauern ist deswegen vollkommen nachvollziehbar.

Massenabschuss ist altertümlicher Aktionismus

Der Deutsche Bauernverband fordert aktuell, die Wildschweinebestände durch Massenabschuss um 70 Prozent zu reduzieren. Die nordrhein-westfälische Landesregierung unterstützt dieses Vorgehen und hat dementsprechend die Schonzeit für Wildschweine aufgehoben. Von der Bejagung ausgenommen sind lediglich Muttertiere mit Frischlingen unter etwa 25 Kilogramm.

Bauernverband und Landesregierung werden den Erreger so aber nicht aufhalten können. Die Wildschweinejagd ist sehr zeitaufwendig und die Jäger haben in den letzten Jahren das Anwachsen der Bestände nicht annähernd durch einen höheren Abschuss ausgleichen können. Dementsprechend ist es äußerst zweifelhaft, ob der Wildschweinebestand überhaupt um die geforderte Höhe reduziert werden kann. Der Ruf nach einer deutlich verstärkten Jagd als einfacher Lösung ist daher nicht mehr als altertümlicher Aktionismus. Das gilt insbesondere, da er vom eigentlichen Risikofaktor der Ausbreitung abgelenkt: dem Menschen.

Die Ansteckungsgefahr über kontaminierte Schweinefleischprodukte wie Speiseabfälle auf Rastplätzen und indirekte Übertragungswege wie Viehtransporte, kontaminierte Maschinen oder Kleidung ist um ein vielfaches höher als über Schwarzwildbestände. Dass Wildschweine auf Rastplätze entlang der Bundes- und Fernstraßen vordringen, erhöht das Übertragungsrisiko. Deswegen muss die Landesregierung alles tun, um die Einfuhr möglicherweise kontaminierter Lastwagen und von Speiseabfällen aus den betroffenen Ländern zu unterbinden. Sie muss Autobahnrastplätze entsprechend umzäunen lassen, verendete Wildschweine routinemäßig untersuchen und Jagdstrecken stichprobenartig überprüfen. Möglicherweise wäre es auch sinnvoll, an der deutsch-polnischen Grenze besondere Vorkehrungen zum Schutz vor der ASP zu treffen und zum Beispiel den LKW-Transitverkehr durch Desinfektionswannen fahren zu lassen. Statt simpel gemeinsam im Chor mit dem Bauernverband nach massenhafter Jagd zu rufen, sollte sich die Landesregierung stärker darauf konzentrieren, Risiken früh zu erkennen und die Einschleppung mit tatsächlich wirksamen Mitteln zu verhindern.

Wildschweinebestand langfristig und nachhaltig reduzieren

Weniger Wildschweine wären aus naturschutzfachlicher Sicht allerdings erwünscht. Die Allesfresser haben keine natürlichen Feinde und verursachen zahlreiche ökologische Probleme: Sie ernähren sich von Eiern seltener Bodenbrüter, durchwühlen durchwachsene Vegetationsgemeinschaften und beschädigen land- oder forstwirtschaftliche Kulturen. Wildschweine sollten deswegen auch bejagt werden. Dabei ist auch über bisherige jagdliche Grundprinzipien neu nachzudenken, wie die bislang untersagte Nutzung von Nachtsichtgeräten oder Schalldämpfer. Auch die Frage, ob der Abschuss von Leitbachen tatsächlich falsch – d.h. „unwaidmännisch“ ist – gilt es aus naturschutzfachlicher und jagdlicher Sicht neu zu diskutieren.

Langfristig müssen wir aber auch auf die Ursachen für den rapiden Anstieg der Wildschweinepopulation reagieren. Unsere Landschaften bieten den Wildschweinen viel Nahrung, zum Beispiel durch Maisfelder aber auch durch die guten Eichel- und Bucheckerträge der letzten Jahre. Das immer häufigere Ausbleiben von langen Frostperioden oder Schneelagen infolge des Klimawandels erleichtert gerade den Jungtieren das Überleben und ermöglicht so auch den Populationsanstieg der Wildschweine. Daher brauchen wir statt blankem, angstgetriebenem Aktionismus eine planvolle Antwort auf diese Herausforderung. Für uns gehört eine effektive Jagd als ein kleiner Baustein zu einer größeren Strategie. Vor allem aber sind eine Kurskorrektur in der Landwirtschaft, ein wirksamer Klimaschutz sowie eine wirksame Klimafolgeanpassung notwendig.

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